Karl-Eduard von Schnitzler (Wohnung)

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Karl-Eduard von Schnitzler, 1956

Karl-Eduard Richard Arthur von Schnitzler (* 28. April 1918 in Berlin-Dahlem; † 20. September 2001 in Zeuthen) war ein deutscher Journalist. Er war Chefkommentator des Deutschen Fernsehfunks bzw. des Fernsehens der DDR und Moderator der Fernsehsendung Der schwarze Kanal.


Jugend und Ausbildung

Schnitzler war jüngster Sohn des Legationsrates Julius Eduard von Schnitzler, eines Sohns von Eduard Schnitzler. Nach Darstellung in der Autobiografie war Schnitzlers Großmutter eine außereheliche Tochter des „99-Tage-Kaisers“ Friedrich III., er selbst mithin ein Urenkel des Kaisers. Der Vater Schnitzlers war seit 1898 als Vizekonsul in Shanghai tätig, am 20. September 1913 erfolgte seine Erhebung in den preußischen Adelsstand. Die Mutter war Margarethe von Schnitzler, geb. Gillett. Sein zehn Jahre älterer Bruder war Hans Schnitzler. Zu seinen Vettern zählten der Verkaufsdirektor der I.G. Farben Georg von Schnitzler und der Botschafter Herbert von Dirksen. Der Bankier Kurt Freiherr von Schröder war durch Einheirat verwandt.

Im Jahr 1932 trat von Schnitzler in die Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) ein und begann, sich mit dem Kommunismus auseinanderzusetzen. Nach dem Abitur auf dem Friedenauer Gymnasium nahm von Schnitzler 1937 das Studium der Medizin in Freiburg auf, brach dieses aber ab, als er aufgrund seiner ehemaligen Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen SAJ vor die Entscheidung gestellt wurde, entweder in den NS-Studentenbund einzutreten oder des Studiums verwiesen zu werden und begann eine kaufmännische Lehre in Köln. Er heiratete am 29. Februar 1940 Marlis Hoeres aus Eschweiler, mit der er einen Sohn, Stephan, hatte.

Von 1939 bis 1944 war von Schnitzler Soldat im Zweiten Weltkrieg. 1943 nahm er in Frankreich Kontakte zur Résistance auf. Er wurde 1944 verhaftet, nach einer Flucht aus der Untersuchungshaft leistete er Widerstandsarbeit unter Wehrmachtsoldaten. Im Juni 1944 kam er in britische Gefangenschaft und arbeitete fortan als Propagandist des Ministry of Information in der Redaktion der täglichen BBC-Sendung Hier sprechen deutsche Kriegsgefangene zur Heimat. Am 10. Juni 1944 trat von Schnitzler zum ersten Mal im Rundfunk auf.


Journalist in der britischen Besatzungszone

Im Jahr 1945 aus der Gefangenschaft entlassen, wurde er Kommentator beim Rundfunk in der britischen Besatzungszone, dem Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) in Köln. Im Oktober 1945 trat er in Hamburg als Leiter des Frauenfunks in der NWDR-Zentrale seinen Dienst an und gab auch Beiträge für die Sendereihe Sind wir auf dem richtigen Wege?, die Peter von Zahn leitete. Am 1. Januar 1946 wurde er Leiter des Ressorts Politik des NWDR Köln. Entgegen seiner später von ihm oft wiederholten Behauptung fungierte Schnitzler in Köln jedoch zu keiner Zeit als „amtierender Intendant“.

Der britische Chief Controller des NWDR, Hugh Carleton Greene, urteilte rückblickend über Karl-Eduard von Schnitzler: „Schnitzler wurde versuchsweise von Köln nach Hamburg versetzt, wo er weiter politische Kommentare lieferte; er war ein guter Rundfunkpublizist und ein gescheiter Kopf, den ich nicht unbedingt verlieren wollte. Da er in seine Kommentare indes fortgesetzt kommunistische Propaganda einfließen ließ, kam ich zu dem Schluß, daß er gehen müsse.“ Zum 31. Dezember 1947 erhielt er die Kündigung. In einem vom 20. Mai 1950 datierten Lebenslauf, der in Abschrift beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR landete, bestätigte von Schnitzler dies: „Während meiner gesamten Tätigkeit am NWDR war [ich] in ständigem Kontakt mit Max Reimann und Kurt Lichtenstein“.


Journalist in der DDR

Die Zeitung Neues Deutschland berichtete am 10. Januar 1948 unter der Überschrift „Demokraten im NWDR unerwünscht“ über die Entlassung Schnitzlers. Darin bezog sich die Zeitung auf dessen 8-Punkte-Rechtfertigungserklärung, die am 6. Januar 1948 von der KPD-Zeitung Freiheit aus Düsseldorf veröffentlicht worden war. Unter Punkt 6 hieß es: „Ich wurde – teils aus politischen, teils aus persönlichen Gründen – bei meiner vorgesetzten Dienststelle als Agent der SED denunziert und mit der Behauptung, ich hätte in den von mir geleiteten Sendungen eine einseitige kommunistische Politik betrieben, im April vorigen Jahres als Abteilungsleiter in Köln abgesetzt. Den geringsten Beweis ist man mir bis heute schuldig geblieben.“

Im März 1948 wechselte er mittels Unterstützung durch den damaligen Chefredakteur der westdeutschen KPD-Zeitung Freiheit, Kurt Lichtenstein, zum Berliner Rundfunk und Deutschlandsender in die sowjetische Besatzungszone. Im Juni 1948 trat er in die SED ein. 1952 wurde er Leiter der Kommentatorengruppe des Staatlichen Rundfunkkomitees und später Chefkommentator des Deutschen Fernsehfunks.

Den Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR kommentierte Schnitzler folgendermaßen:

„Nach anderthalb Tagen wurde ein Abenteuer beendet, das den demokratischen Sektor Berlins zu einem Brandherd machen sollte, der zu einem Weltbrand hätte entfacht werden können. […] Es ging nicht um Normen, nicht um freie Wahlen, nicht um die Verbesserung des Lebensstandards, nicht um eine – wie immer geartete – Freiheit; sondern unter Mißbrauch des guten Glaubens eines Teils der Berliner Arbeiter und Angestellten, gegen grobe Fehler bei der Normerhöhung mit Arbeitsniederlegung und Demonstrationen antworten zu müssen, wurde von bezahlten Provokateuren, vom gekauften Abschaum der Westberliner Unterwelt ein Anschlag auf die Freiheit, ein Anschlag auf die Existenz, auf die Arbeitsplätze, auf die Familien unserer Werktätigen versucht. Nicht weil Unzufriedenheit herrschte, haben Provokateure die Unruhen entfesselt, sondern weil von unserer Regierung und vom Politbüro der SED alle Maßnahmen und Schritte eingeleitet worden sind, um die Anlässe der Unzufriedenheit zu beseitigen, die Lebenshaltung unserer Werktätigen umgehend zu verbessern und Hindernisse für die Einheit Deutschlands wegzuräumen.“

– Karl Eduard von Schnitzler: Der Anschlag auf den Frieden ist gescheitert.

Ab 1960 (Erstsendung am 21. März) moderierte er die Propagandasendung Der schwarze Kanal, in der er Ausschnitte aus dem Westfernsehen im Sinne der DDR-Führung kommentierte. Sein westlicher Gegenspieler war der Journalist Gerhard Löwenthal, der in der Sendung ZDF-Magazin Menschenrechtsverletzungen der DDR ins Visier nahm. Der als Hardliner geltende Schnitzler hatte den Spitznamen Sudel-Ede. Diesen Namen verpasste ihm der SFB-Kommentator Günther Lincke Anfang Februar 1961 in der Sendung Mitteldeutsches Tagebuch als Replik auf die Verbalattacke von Schnitzlers gegen das Mitteldeutsche Tagebuch („Schwarze Kanäle mögen sudeln…“), in dem vorher berichtet wurde, dass der Chefkommentator des DDR-Fernsehens regelmäßig zur Deckung seines Konsumbedarfs in West-Berlin mit D-Mark Einkäufe tätigte und dortige Nachtlokale besuchte.

Ein anderer – in politischen Witzen und im Kabarett kolportierter – Spitzname war Karl-Eduard von Schni (auch Karl-Ed oder Karl-Eduard Vonsch), weil angeblich jeder Zuschauer noch vor Ende seiner Namensnennung in der Ansage auf einen anderen Sender umschaltete. Ein „Schnitz“ war dem politischen Witz nach jener Teil einer Sekunde, den man brauchte, um nach Erscheinen Schnitzlers auf dem Bildschirm den Fernseher auszuschalten.

Im Jahr 1978 wurde von Schnitzler Mitglied des Zentralvorstandes der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Schnitzler war – abhängig von der jeweiligen politischen Großwetterlage – in seiner Tätigkeit weisungsgebunden: So war er während und nach Anbahnung des Milliardenkredits für die DDR in der ersten Jahreshälfte 1983 gehalten, sich wegen der Darstellung des bisherigen Lieblingsfeindes Franz-Josef Strauß als „Kommunistenfresser“ zurückzuhalten.

Am 30. Oktober 1989 stellte das Fernsehen der DDR nach 1519 Folgen den Schwarzen Kanal ein, nachdem seine Absetzung bei den Montagsdemonstrationen gefordert worden war. Bis zuletzt betrachtete er Polemik als legitimes Stilmittel in der politischen Auseinandersetzung und führte den „Klassenkampf“ im Fernsehen aus Überzeugung. In der DDR gehörte von Schnitzler bei der Bevölkerung zu den meistverhassten Systemvertretern. Insbesondere die fortdauernde Diskrepanz zwischen laut verkündetem gesellschaftlichem Anspruch und individueller Wirklichkeit in der privaten Lebensgestaltung stießen beim Volk bitter auf. So wurde bei den Demonstrationen unmittelbar vor dem 9. November 1989 u. a. lautstark skandiert: „Schnitzler lass das Hetzen sein und kauf nicht mehr im Westen ein!“ Auf Transparenten forderten Demonstranten in Leipzig am 23. Oktober 1989: „Schnitzler weg von Bild und Ton, der besudelt die Nation!“ Der Spiegel kommentierte hierzu: „Neben dem Unterangebot an Südfrüchten war es das Überangebot an Schnitzler-Kommentaren, das die Leute 1989 auf die Straßen trieb.“ Auf Werte angesprochen, äußerte er in der N3-Talksendung Profile: „Selbstverständlich werden wir [gemeint waren Sozialismus und Kapitalismus] einiges voneinander lernen können“, es gebe aber trotzdem ideologische Gegensätze, die auszutragen seien. In der Wendezeit betrachtete es von Schnitzler im Fernsehen der DDR als Fehler und Versäumnis, die „Überlegenheit“ und die „Errungenschaften des Sozialismus“ nicht ausreichend plausibel und verständlich gemacht zu haben.

Von Schnitzler verabschiedete sich im Schwarzen Kanal mit den Worten: „Der Klassenkampf geht weiter, also auch die aktuelle streitbare Polemik. […] In diesem Sinne werde ich meine Arbeit als Kommunist und Journalist für die einzige Alternative zum unmenschlichen Kapitalismus fortsetzen, als Waffe im Klassenkampf zur Förderung und Verteidigung meines sozialistischen Vaterlandes. Und in diesem Sinne, meine Zuschauerinnen und Zuschauer, liebe Genossinnen und Genossen: Auf Wiederschauen.“ Im Januar 1990 leitete die SED-PDS ein Parteiausschlussverfahren gegen von Schnitzler ein, dem er mit seinem eigenen Austritt zuvor kam. Er äußerte bis dahin mehrmals zu seiner politischen Einstellung mit Bezug auf seine Gesundheit: „Nur der Rücken! Das Rückgrat ist intakt.“

Nach der Wende in der DDR schrieb von Schnitzler einige Monate lang eine Kolumne für die Satirezeitschrift Titanic und war Autor der Weißenseer Blätter. Er trat aus der PDS aus und wurde Mitglied der DKP.

Gegenüber dem Fernsehmagazin Spiegel TV äußerte von Schnitzler im August 1997: „Na Gott sei Dank […] haben wir die Mauer gebaut. Das war völlig richtig.“ Im weiteren Verlauf des Gesprächs bezeichnete er die Mauer als segensreiches Bauwerk.

Neben seiner Fernsehtätigkeit drehte von Schnitzler auch zahlreiche Dokumentarfilme. Bei einigen Werken wird in einer Untersuchung (Lit.: Prase und Kretzschmar) von Medienwissenschaftlern der Universität Leipzig nachgewiesen, dass von Schnitzler seine angeblich tatsachenuntermauerten Thesen mit manipuliertem bzw. nachgestelltem Filmmaterial „bewies“. Die in der DDR geheim gehaltene Zuschauerquote zu den Dokumentarfilmen Schnitzlers betrug 7 Prozent.


Familie

Aus der 1956 geschiedenen Ehe mit der Schauspielerin Inge Keller ging die Tochter Barbara Schnitzler hervor, die wie ihre Mutter Schauspielerin wurde. Seine Tochter Karin arbeitet seit einigen Jahren beim ZDF im Bereich Journalistenausbildung. Die 1958 eingegangene Ehe mit Christine Laszar wurde nach kurzer Zeit geschieden. Seit 1960 war er mit der ungarischen Sängerin und Schauspielerin Marta Rafael (* 26. Februar 1926 in Budapest) verheiratet.

Karl-Eduard von Schnitzler starb im Alter von 83 Jahren in Zeuthen an den Folgen einer Lungenentzündung. Sein Urnengrab befindet sich auf dem Friedhof in Eichwalde bei Berlin.


Adresse (2001) : Friedensstraße 107, Eichwalde, vorher Friedensstraße 81 in Zeuthen



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Bundesarchiv, Bild 183-41751-0001 / Zimontkowski / CC-BY-SA

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