Gustav-Adolf Schur

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DDR-Friedensfahrer Täve Schur und Lothar Meister wurden am 21. Mai 1955 in Berlin empfangen. Das Auto fährt durch die Fruchtstraße der heutigen Straße der Pariser Kommune

Gustav-Adolf „Täve“ Schur (* 23. Februar 1931 in Heyrothsberge) ist ein ehemaliger deutscher Radrennfahrer. Er war der populärste Sportler in der DDR. Als jeweils erster Deutscher konnte er die Weltmeisterschaft der Amateure und die Internationale Friedensfahrt, seinerzeit das bedeutendste Amateurradrennen, gewinnen. Er war von 1958 bis 1990 Volkskammerabgeordneter für die FDJ, SED bzw. PDS. Von 1998 bis 2002 gehörte Schur der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag an.

Leben

Der unter seinem Spitznamen Täve (abgeleitet von Gustav) bekannt gewordene Gustav-Adolf Schur wuchs in Biederitz in der Nähe von Magdeburg auf und absolvierte eine Ausbildung zum Maschinenmechaniker.

Sportkarriere

Mit dem Radsport begann er mit 19 Jahren bei BSG Grün-Rot Magdeburg, die 1951 der Radsportsektion der BSG Aufbau Börde Magdeburg angeschlossen wurde. Schur gewann am 23. September 1951 das damals prestigeträchtigste Eintagesrennen der DDR Rund um Berlin.[1] Im Jahr darauf gehörte Schur erstmals der DDR-Auswahl für die Internationale Friedensfahrt an, die er mit drei Podiumsplätzen nach zwölf Etappen auf den zehnten Gesamtrang abschloss. Bei der Friedensfahrt 1953 belegte Schur in der Gesamteinzelwertung bereits den dritten Platz und war maßgeblich daran beteiligt, dass die DDR-Mannschaft unter Kapitän Paul Dinter zum ersten Mal das Blaue Trikot der besten Mannschaft gewinnen konnte. Auf nationaler Ebene folgten Siege bei der DDR-Rundfahrt und der DDR-Meisterschaft im Querfeldein. Am Ende des Jahres 1953 gewann Schur die unter der Bevölkerung erstmals durchgeführte Umfrage zum DDR-Sportler des Jahres.

1954 konnte Schur an seine sportlichen Erfolge vom Vorjahr anknüpfen und seinen ersten nationalen Meistertitel auf der Straße erringen. Des Weiteren verteidigte er erfolgreich seinen Titel bei der DDR-Rundfahrt und war bei den Weltmeisterschaften in Solingen mit Rang sechs in der Amateur-Klasse der bestplatzierte aller deutschen Teilnehmer.[1] Am Jahresende triumphierte Schur erneut bei der Umfrage zum DDR-Sportler des Jahres.

In der Folgezeit etablierte sich Täve Schur – mittlerweile Mitglied im Sportclub SC Wissenschaft DHfK Leipzig – endgültig als Aushängeschild des DDR-Radsports und feierte bis 1961 weitere fünf Meistertitel im Straßen-Einzelrennen sowie zwei Gesamtsiege bei der DDR-Rundfahrt. Seinen internationalen sportlichen Durchbruch erlebte Schur 1955 bei der Friedensfahrt, als er den ersten Sieg eines DDR-Fahrers in der Gesamteinzelwertung erreichte. 1959 gewann er darüber hinaus als erster Teilnehmer in der Friedensfahrthistorie ein weiteres Mal das Gelbe Trikot. Insgesamt wurde Schur bis 1964 zwölfmal in das DDR-Aufgebot für die Friedensfahrt berufen, wo er mit zwei Gesamt- und neun Etappensiegen zu den herausragendsten Protagonisten aller Zeiten avancierte.

Bei den Weltmeisterschaften hatte Schur bis 1957 Edelmetall nur knapp verpasst,[2] bevor er schließlich 1958 Weltmeister wurde und sich als erster DDR-Fahrer und als zweiter Deutscher das Regenbogentrikot sicherte.[3] Im Jahr darauf gelang ihm als erstem Amateur-Weltmeister die Titelverteidigung,[4] womit er auch für die Titelkämpfe 1960 in der DDR als Favorit galt. Doch trotz des Heimvorteils blieb Schur der WM-Hattrick verwehrt, als er hinter Überraschungssieger Bernhard Eckstein als Zweiter die Ziellinie überquerte.[5] Dennoch avancierte Täve Schur an jenem 13. August 1960 endgültig zur Sportlerlegende, da seine taktische Entscheidung, die eigenen Siegchancen einem möglichen Erfolg des Teamkameraden zu opfern, von den DDR-Medien entsprechend propagandistisch verwertet wurde. Schur gewann auch 1960 die in der Bevölkerung durchgeführte Umfrage zum Sportler des Jahres – zum mittlerweile achten Mal in Folge.

Sowohl 1956 als auch 1960 nahm Schur als Mitglied der gesamtdeutschen Mannschaft an den Olympischen Sommerspielen teil. 1956 in Melbourne belegte er im Einzelrennen den fünften Rang und hatte damit wesentlichen Anteil am Gewinn der Bronzemedaille in der Mannschaftswertung.[6] 1960 gehörte Schur in Rom zum silberdekorierten Vierer im erstmals ausgetragenen Mannschaftszeitfahren.[7]

Im Jahre 1963 schloss Schur mit dem Erwerb des Trainerdiploms sein DHfK-Studium in Leipzig ab. Ein Jahr später beendete der populäre DDR-Radsportler und neunfache DDR-Sportler des Jahres die aktive Laufbahn und wechselte endgültig ins Traineramt, wo er bis 1973 tätig war. Anschließend war Schur Stellvertretender Vorsitzender des DTSB-Bezirksvorstandes Magdeburg.[1]

Sonstiges

Gustav-Adolf Schur ist vierfacher Vater. Mit seinem ältesten Sohn Jan Schur, Olympiasieger 1988 und Weltmeister 1989 im 100-km-Mannschaftszeitfahren sowie Friedensfahrt-Teilnehmer 1988, konnte eines seiner Kinder ebenfalls auf eine erfolgreiche Radsport-Karriere verweisen.

Auch nach seiner Zeit als Radsportler blieb die Popularität von Täve Schur ungebrochen. Bei einer anlässlich des 30. Jahrestages der DDR durchgeführten Umfrage nach den besten und populärsten DDR-Sportlern aller Zeiten belegte er 1979 den ersten Platz. Auch bei einer ähnlichen Wahl zum 40-jährigen Staatsjubiläum 1989 wurde Schur, 25 Jahre nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn, mit fast der Hälfte aller Stimmen auf Platz Eins gewählt.[8]

Mit seiner Volksverbundenheit und Linientreue kam Täve Schur in der DDR-Propaganda auch die Rolle eines heldenhaften Musterbürgers zu. Schur besaß bereits zu seiner Zeit als Aktiver ein Abgeordnetenmandat für die Volkskammer, welches er von 1958 bis 1990 zuerst für die FDJ und später für die SED und PDS wahrnahm. Über die Landesliste der PDS Sachsen zog er 1998 in den Bundestag ein, dem er bis 2002 angehörte. Für die Fraktion fungierte er als sportpolitischer Sprecher und setzte sich insbesondere für den Breitensport ein. Auch wenn er ein Sportstar war, so sah er sich gerade als Radrennfahrer immer als Teil der Mannschaft, des Kollektivs.[9]

Schur war Vorsitzender des Kuratoriums Friedensfahrt Course de la Paix e. V.[10] für den Erhalt und die Fortsetzung des gleichnamigen Radrennens und das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen (Sachsen-Anhalt), wo Exponate zur Friedensfahrt – Preise, Trikots, Bilder und anderes – besichtigt werden können.

1990 spielte Schur im Spielfilm Letztes aus der Da Da eR eine Nebenrolle.

Seit 1992 betreibt Schur einen Fahrradladen in Magdeburg; Inhaber ist sein Sohn Gus-Erik Schur, der ebenfalls erfolgreich Radrennen bestritt. „Täves Radladen“ unterstützt den Radsportverein RC Lostau, dessen Mitglieder unter dem Namen „Team Täves Radladen“ europaweit an Radrennen teilnehmen.[11] Zudem hat Täve Schur zahlreiche Ehrenämter inne und hält Vorträge.[12]

2005 wurde der am 16. Oktober 2000 in der Volkssternwarte Drebach (Erzgebirge) entdeckte Asteroid 2000 UR nach Gustav-Adolf Schur benannt. Er bewegt sich im Asteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter um die Sonne und trägt die offizielle Bezeichnung (38976) Taeve.

Schur bekannte sich auch nach der „Wende“ in der DDR zu den Ideen des Sozialismus und gehörte der aus der SED hervorgegangenen PDS an.

Kritik und Hall of Fame des deutschen Sports

Schur gehörte neben 22 weiteren Personen zu den Kandidaten für eine Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports. Schurs Nominierung für die Hall of Fame des deutschen Sports stieß beim Verein für Doping-Opfer-Hilfe auf Widerstand. So kritisierten Ines Geipel, Andreas Krieger und andere DDR-Dopingopfer in einem öffentlichen Brief, dass Schur eine „zentrale Propagandafigur des kriminellen DDR-Sports gewesen sei, der mehr als 30 Jahre Abgeordneter in der Volkskammer der DDR war“. Darüber hinaus warfen sie Schur, der stets ein Dopingopfer-Hilfegesetz für alle nachweislich geschädigten deutschen Sportler befürwortet hatte,[13] vor, im Bundestag gegen die Aufklärung des „Körperlaboratoriums DDR“ sowie gegen eine Entschädigung der Opfer des DDR-Sports votiert zu haben und bezeichneten ihn als „notorischen Geschichtsverleugner, der das missbräuchliche Tun im DDR-Sport banalisiert und die Opfer kalt diskreditiert.“[14][15] In einer öffentlichen Stellungnahme verteidigten die Verantwortlichen der Stiftung Deutsche Sporthilfe ihre Entscheidung zu Schur, da „nach heutigem Kenntnisstand keine personifizierte, justiziable Belege für Verfehlungen existieren, die einer Kandidatur widersprochen hätten“.[16] Im August 2011 bestritt Schur bei einer Buchpräsentation systematisches Doping im DDR-Sport.[17] Bereits in den Jahren zuvor wurde Schur von Kritikern wiederholt eine Verklärung des DDR-Unrechts, mit dem Hinweis auf seine Äußerungen zum ostdeutschen Dopingnetzwerk, seinen Ansichten zur Legitimation des Mauerbaus und des Schießbefehls an der Innerdeutschen Grenze, vorgeworfen. Letztlich wurde Schur nicht in die Hall of Fame aufgenommen, was in den neuen Bundesländern auf Kritik stieß.[18]


Text: Wikipedia

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Bild: Wikimedia/Bundesarchiv/Bild 183-30649-0004/Funck

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